Hühnerzucht – nichts mit fix, das dauert.

Blogeintrag vom 03.08.2021

„Züchten? Das ist doch ganz einfach. Da nimmste ein männliches und ein weibliches Tier und schwupp, haste Nachwuchs.“

So denken leider Viele. Egal ob man zu den selbsternannten Hundezüchtern oder in die Geflügelwelt schaut. Immer wieder wird dieses Thema auf die, wie ich finde, leichte Schulter genommen. 

Ihr glaubt gar nicht wie viele Anzeigen ich in der letzten Zeit gelesen habe, wo z. B. Welpen angeboten wurden „weil wir so gerne mal Welpen wollten“. Am geilsten finde ich dann ja noch die, die ihren Zufallsmix als neue Rasse anpreisen und für einen Mischlingswelpen dann mal schnell 1500 – 2000 Euronen haben wollen. Mal ganz ehrlich: MUSS DAS SEIN? 

Meine klare Antwort: NEIN! 

Versteh mich nicht falsch, ich habe kein Problem mit Menschen die zufällig Welpen o. ä. haben und sich ganz gewissenhaft um ihre Vierbeiner kümmern, aber die Anmaßung gleich eine neue Rasse zu entwickeln geht mir dann doch zu weit. Vor allem der Gedanke eine „Rasse“ anzupreisen, wo man doch gar keine Ahnung hat, wie sich die Welpen entwickeln. Von einer Rasse ist dann zu sprechen, wenn sich über mehrere Generationen bestimmte Merkmale, auf welche speziell selektiert wurde, gebildet bzw. gefestigt haben. Dann kann man als Züchter auch Auskunft über die Entwicklung geben.

Bleiben wir doch mal beim Hund, ehe ich in die Geflügelwelt eintauche.

Loki v. Falkenberg, Deutsch Wachtel, 4 Jahre

Ich führe den Deutschen Wachtelhund Loki v. Falkenberg. Loki ist ein typvoller, hochbeiniger Rüde seiner Rasse und mit 53 cm Schulterhöhe gerade noch im zugelassenen Bereich, welcher sich bei einem Deutsch Wachtel von 48 – 54 cm erstreckt. Sein Fang ist etwas zu kurz für einen Wachtel, aber da die Behänge (Ohren) das, zum Fang gesehen, perfekte Verhältnis aufweisen und auch das ganze Erscheinungsbild meines stämmigen, muskulösen Wachtels sehr stimmig ist, gab es zur Formwertprüfung trotzdem ein „Sehr gut“. Weiterhin ist gemäß dem Rassestandart folgendes gefordert: „Er besitzt ein freundliches, lebhaftes Wesen und eine hohe Jagdpassion. Der Wachtel zeigt sich sehr gelehrig und anpassungsfähig. Er ist weder ängstlich noch aggressiv. Besonders wichtig ist der sichere Spurlaut. Der Wachtelhund besitzt einen starken Finder- und Spurwillen sowie eine hohe Spursicherheit. Er ist feinnasig, bring- und wasserfreudig. Auch die Wild- und Raubzeugschärfe ist ausgeprägt.“ – vgl. https://www.wachtelhund.de/deutscher-wachtelhund/rassestandard/ 

All diese geforderten Merkmale treffen auf Loki zu. Nun kommen wir doch mal zur Frage, wieso ein Rassestandard notwendig ist. Beim Deutsch Wachtel handelt es sich um einen höchst passionierten Jagdhund welcher zu den Stöberhunden zählt. Wachtelhunde werden vom Jäger, für den Jäger gezüchtet und ich hoffe sehr das es auch so bleibt und der Wachtel niemals ein Modehund wird. Zumindest nicht bei Nichtjägern. Jägern kann ich diese wundervolle Rasse nur ans Herz legen – wenn die richtigen Gegebenheiten da sind! Ich schweife ab. Kümmern wir uns doch mal um das Thema Schulterhöhe. Warum ist die Schulterhöhe auf max. 54 cm beim Rüden beschränkt? Wie oben schon erwähnt ist der Wachtel ein Stöberhund. Stöberhunde arbeiten, anders als Vorstehhund wie beispielsweise ein Kleiner Münsterländer, ohne direkten Führereinfluss. Sie sind Spezialisten auf ihrem Gebiet. Der Wachtelhund wir auf der Jagd geschnallt, also von der Leine gelassen, und muss eigenständig Wild finden und mir, also dem Jäger, das Wild vor die Flinte treiben. Aber nicht das ihr denkt der Hund hetzt das Wild. Nein, dies ist absolut unerwünscht! Der Stöberhund soll einige Meter hinter dem Wild arbeiten und zwar so, dass das Wild nicht im Vollspeed bei mir vorbeikommt, sondern langsam und ruhig. Am besten so, dass es hin und wieder Sichern kann und ich einen ordentlichen Schuss antragen kann, bei dem das Stück im besten Falle „im Knall liegt“ d. h., dass es an Ort und Stelle tot umfällt und keine Schmerzen erleiden muss. Und warum nun die Beschränkung der Schulterhöhe? Ganz einfach, im dichtbewachsen Wald mit viel dichter Naturverjüngung kommt der relativ kleine Wachtelhund besser voran als z. B. ein hochbeiniger Hund wie der Deutsch Kurzhaar. 

Nun genug zum Hund, gehen wir zu den Hühnern.

Auch hier kenne ich viele, ganz tolle Züchter die sich meiner Ansicht nach auch Züchter nennen dürfen, obwohl sie keine Rasse an sich züchten, sondern bunt mischen. Aber auch diese Züchter tun das nicht aus „Bumfideldei“, sondern mit Köpfchen. Auch sie haben gewisse Merkmale die sie bei ihren Hühnern gerne fördern oder wegzüchten wollen und selektieren genauso wie es Rassezüchter auch machen. Viel schlimmer finde ich, und ja die gibt es auch unter den Hühnerzüchtern, Vermehrer. Viele Tiere, eine schlechte Qualität an Tieren und Bruteiern, schlechter Gesundheitszustand… ich brauche dir wohl nicht mehr zu sagen und möchte mich über dieses Thema nun auch gar nicht auslassen, daher weiter im Text.

Mixe sind so wunderschön!

Rassezüchter haben da natürlich viel mehr woran sie sich zu halten haben: allen voran der Rassestandard, welcher für jede Rasse vom Bundes-Zucht- und Anerkennungsausschuss – (BZA), welcher ein Fachausschuss des BDRG vorgegeben ist und dann natürlich die verschiedenen Rassezuchtverein oder Kleintierzuchtvereine in denen die meisten Züchter Mitglied sind. Natürlich gibt es auch Rassen, die nicht anerkannt sind und trotzdem „ordentlich“ gezüchtet werden können – eben auch, weil es einen Zuchtverein gibt, der einen Standard festgeschrieben hat. Und nur, weil man einen vorgeschriebenen Standard hat, sollte man auch nicht einfach wild durcheinander, getreu dem Motto „Der Hahn ist schön und die Hennen auch“ verpaaren. Um gesundheitliche Differenzen zu vermeiden empfiehlt es sich, auf die Verwandtschaftsverhältnisse zu schauen. Väter und Töchter sowie Mütter und Söhne sollten nicht verpaart werden, da ungewollte Mutationen und andere gesundheitlich beeinträchtigte oder verhaltensauffällige Nachzuchten entstehen könnten. Hat man viele Hühner, unterschiedlicher Jahrgänge, ist es oft schwer diese dann später noch zu unterscheiden. Es hat sich bewährt die Tiere, abgesehen vom Vereinsring, mit einem zweiten farbigen Ring zu versehen, der beispielsweise Auskunft über die Linie gibt. Weiterhin ist es sinnvoll, ein Zuchtbuch zu führen. Dieses kann man sich leicht selbst per Excel erstellen oder Du verwendest einfach die von mir bereitgestellte Vorlage unter dem Punkt „Literatur & Hilfsmittel“. Hier erfasst man das Schlupfdatum, das Geschlecht, ggf. den Namen, die Ring-Nr., Gefiederfarbe, Besonderheiten, die Abstammung / Linie Hahn, Abstammung / Linie Henne… Weiterhin kann man eine neue Linie bilden und erfassen in welchem Zuchtstamm sich das Tier befindet, wer es erzüchtet hat, wann es beispielsweise abgegeben wurde oder verstorben ist. Wichtig ist weiterhin eine gute Selektion. Natürlich ist es sehr schwer zu selektieren, wenn man nur einen kleinen Stamm von einer Rasse besitzt. Ich finde da kannst du bei Merkmalen die für dich nicht ganz so vordergründig sind auch mal ein Auge zudrücken. Ständig kränkelnde Tiere oder Tiere mit vererbbaren Fehlern solltest du jedoch aus der Zucht nehmen. So ein vererbbarer Fehler wäre zum Beispiel eine Gefiederfarbe die in keinsterweise dem Standard entspricht und nicht rassetypisch ist. Weiterhin ist Zucht und Selektion notwendig um beispielsweise fast ausgestorbene Rassen zurück züchten zu können und somit zur Rassevielfalt beizutragen.

Mein Zuchtstamm 16-1, Silverudds Blå

Um alles was ich eben niedergeschrieben habe etwas greifbarer zu machen, möchte ich das Thema anhand meiner Silverudds behandeln. Zu allererst möchte ich dir erläutern, was mir in Hinblick auf die Zucht wichtig ist. Die Silverudds Blå wurden von Martin Silverudd erzüchtet um ein leistungsfähiges Huhn zu entwickeln, dass den Hybriden Konkurrenz machen kann. Die Legeleistung wird mit 260 – 280 Eier und einem Eigewicht vom 60 – 65 g angegeben. Die sehr gute Legeleistung war für mich übrigens einer der Gründe, warum ich mir die SB genauer angeschaut und zuletzt auch in den Stall geholt habe. Dass sie mich mit ihrem wundervollen Charakter in ihren Bann ziehen werden war nicht geplant.  Auch das 280 Eier im Jahr um 65g im Durchschnitt utopisch sind musste ich lernen, denn diese Werte erreichten meine Schweden nicht. Zumindest nicht meine anerkannten, welche aus schwedischen Bruteiern schlüpften. Die Silverudds Blå versprachen vieles was sie definitiv nicht vollends halten können. Einen direkten Standard gibt es nicht, die Schweden haben einige Vorgaben gemacht, aber auch diese sind (meiner Meinung nach) etwas spärlich. 

Christoff, ein typvoller, großer, muskulöser Hahn mit silbernem Halsbehang der Rasse Silverudds Blå

So habe ich mir selbst Gedanken in Bezug auf die Zucht gemacht. Wie sollen die Silverudds im besten Fall aussehen? Wieviel sollen sie legen? Welche Farbe sollen die Eier haben? Wie schwer sollen die Eier sein? Sind Glucken erwünscht oder eher nicht?

Kommen wir zum ersten Punkt: Wie stelle ich mir das Aussehen der Silverudds vor? Definitiv sollen die drei Grundfarben splash, blau und schwarz erhalten bleiben. Verschiedene Blautöne sind erwünscht. Dunkle Flecken im Gefieder der blauen Tiere sind in Ordnung – ich finde diese Tiere sogar besonders schön. Der Hahnenbehang darf schwarz, gold und silbern sein. Die Tiere sollen mit grünen Läufen in Schiefer- oder Grüngrau versehen sein (bei splashfarbenen Tieren auch heller oder gefleckt) und schwarzen Knopfaugen versehen sein. Der Hahn aufrecht mit breiter Brust stehen und große, fleischige Kehllappen und Kämme, deren Fahne häufig der Nackenlinie folgt, aufweisen. Ein Hahn sollte mindestens 2 kg,  besser 2,5 kg, und eine Henne um die 2 kg wiegen.

Schwarzes Silverudds Blå Küken von 10 Wochen. Die weißen Federn verschwinden mit der Mauser.

Die Hennen sollten mindestens 240 – 260 Eier legen welche ein Gewicht von min. 50g aufweisen. Die Eier sollten weder zu länglich noch zu ründlich sein und einen Grünton aufweisen. Der Grünton darf gerne variieren, Hauptsache grün. Hierzu teste ich meine Hähne an der Uni Gießen auf die grüne Eierschale. Nicht gerade kostengünstig, aber eine gute Methode zu vermeiden das braunlegende Hennen im Bestand vorkommen. Natürlich könnte man auch die Hennen auf das Grünlegergen testen, aber da dies vom Hahn vererbst wird und die Nachkommen dann sowieso grün legen, teste ich derzeit ausschließlich die eingesetzten Hähne. Ich erfasse jedes Ei inkl. Eigewicht in einer Tabelle, um am Jahresende die Legeleistung meines Zuchtstammes und auch deren Eigewicht beurteilen zu können. Weiterhin bemühe ich mich, die Eier der entsprechenden Henne zuordnen zu können um noch besser auf die von mir gewünschten Merkmale selektieren zu können. Die Silverudds Blå ist eine Legerasse, welche dies auch bleiben soll. Bestrebungen aus den SB eine Zweinutzungsrasse zu züchten finde ich fragwürdig und nicht im Sinne ihres Erzüchters. Vordergründig ist für mich aber immer eines ganz besonders: die Gesundheit der Tiere. Lieber länger brauchen um seine Zuchtziele umzusetzen, als Inzucht zu verpaaren und die Gesundheit der Tiere aufs Spiel zu setzen.

Meine Aufzeichnungen eines jedes Ei’s der Silverudds Blå inkl. Gewicht. Bei den Seidenhühnern erfasse ich nur die Eianzahl

Noch ist auch mein Bestand vom Silverudds Blå zu klein um intensiv zu selektieren, was aber nicht heißt, dass ich das nicht mache.

Und nun nochmal ein kleiner Schwenk in eine etwas andere Seite von mir:

Ein wunderschöner „Seidi Blå“ Hahn, Bild: Besitzerin Nadine Petukat

Seidi Blå. So nenne ich Mixe aus Silverudds und Seidenhühnern. Entgegen meiner Einstellung, dass neue Rasse auch einen Sinn haben sollten, also irgendein Merkmal, dass besser ist als bei den Ursprungsrassen, finde ich Seidi Blå einfach nur wunderschön und möchte gerne erkunden, welche Merkmale beider Rassen dominant und rezessiv vererbt werden. Seidi Blå ist übrigens nur meine Bezeichnung für diese Soda-Mixe. Daher handelt es sich um keine fungierte Rassebezeichnung oder Ähnliches. Für mich ist es einfach ein süßes, kleines Projekt. In diesem Sinne möchte ich meinen Zuchtexkurs beenden und Dir Mut machen selbst zu züchten, denn es macht neben der vielen Arbeit auch unheimlich viel Spaß. Weiter hoffe ich, dich für die Arbeit die hinter einer guten Zucht steht sensibilisieren zu können und das du die Arbeit der vielen engagierten Züchter wertschätzt. ♡  

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